Was bedeutet eigentlich Winterdienst

Interview mit dem Chef der Straßenreinigung

Wenn der Gesprächsstoff ausgeht, dann kommt man oft auf das Wetter. Das Wetter ist in unserer Straßenreinigung jedoch kein Füllthema, sondern extrem wichtig. Und das vor allem in der Winterdienstzeit. Glatte Straßen oder Schneefall bestimmen ab Mitte Oktober den Dienstplan. Jens Krause, neuer Abteilungsleiter Straßenreinigung, erläutert, welche Herausforderungen das für seine Teams bedeutet und welche Pflichten die Anwohner*innen der Stadt Kiel haben.

Was bedeutet Winterdienst?

Das lässt sich zunächst einfach in Zahlen beziffern: 160 Mitarbeitende, 20 Lkw dazu 60 Spezialfahrzeuge und Streugut sind mit dem offiziellen Start des Winterdienstes am 15. Oktober bis zum 15. April rund um die Uhr einsatzbereit. Jedes Jahr stellen wir für diesen Zeitraum zusätzliche Kollegen ein, die uns im Winterdienst zur Seite stehen.

Unsere ABK-Soleanlage produziert auf Hochtouren, damit wir immer genügend Streugut vorhalten können. 7000 Liter pro Stunde können wir bei uns in der betriebseigenen Soleaufbereitungsanlage herstellen. Zudem können wir uns mit bis zu 210.000 Litern bevorraten.

Im Winterdienst sind die ABKler also immer auf Standby?

Die jeweils eingeteilte Schicht ja. Wir rücken im normalen Wintermodus schon mal morgens um 3 Uhr aus, um beispielsweise Strecken der Priorität 1 umgehend von Eis und Glätte zu befreien. Hierbei handelt es sich um Hauptverkehrsstraßen, deren Sicherheit mit Beginn der Nutzung ab ca. 5 Uhr gewährleistet sein muss. Zudem fallen in diese Kategorie Fahrradwege, Fußgängerüberwege an den Hauptverkehrsstraßen, Busspuren, Bushaltestellen, die durch einen Radweg vom Gehweg getrennt sind. Das sind in diesen Prioritätsstufen über 900 Streukilometer, die wir vor dem Aufstehen der Bürger*innen fahrtauglich und sicher machen. Insgesamt haben wir gut 1600 Streukilometer – täglich, wenn wir einmal rausfahren.

Das Wetter beschäftigt uns im Winterdienst rund um die Uhr: Wir beobachten die vorhergesagte Wetterlage. Für die Voraussagen haben wir das Unternehmen Wettermanufaktur beauftragt. Hier erhalten wir Spezial-Vorhersagen von Diplom-Meteorologen. Diese stündlichen Wetterprognosen beschreiben detailliert für uns auf Straßen, Radwegen und Gehwegen Parameter wie unter anderem: Frost, Schneefall, Glätte oder Regen. Hieraus können wir ableiten, welche Straßenverhältnisse zu erwarten sind und den Dienstplan entsprechend tagesaktuell gestalten und anpassen. Rufbereitschaft gehört bei uns zum Dienst in der Straßenreinigung dazu.

Welche Herausforderungen bringt dieser kommende Winter mit sich?

Kiel hat immer mehr Fahrradwege und mit der Veloroute auch eine Hauptverkehrs-Fahrradstraße. 250 Streukilometer alleine für Radfahrer sind zu bedienen. Auf diese straßentechnische Veränderung haben wir uns ein- und neu aufgestellt. So haben wir für die Sicherstellung der Verkehrssicherheit dieser Fahrradwege unsere Streufahrzeuge angepasst. Mit der Anschaffung von 3 sogenannten „IceFigthern“ haben wir neue Spezialstreumaschinen, die mit Sole für einen befahrbaren Untergrund sorgen, für Fahrradwege optimale Fahrzeuge.

Streuen ist also nicht gleich Streuen?

Nein! Die Wahl des Streumittels ist wichtig.

Trockensalz, meist bekannt als Auftau-, Streu- oder Tausalz, kennen die meisten. Es besteht in der Regel zu 94 Prozent aus herkömmlichem Kochsalz (Natriumchlorid). Bereits beim Streuen zeigt sich die Problematik: Bei Fahrtwind oder Windböen bleibt es nicht an dem Ort liegen, wo es hingelangen soll. Trockensalz muss die Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen, bevor es Wirkung zeigt und: Es schadet der Umwelt.

Feuchtsalz ist eine gute Alternative mit einer langen Wirkzeit.

Unsere Streumaschinen verwenden die Feuchtsalztechnologie. Dies bedeutet, dass unmittelbar vor der Ausbringung des Feststoffes, dieser mit einer Salzlösung angefeuchtet wird. Üblich ist das Mischungsverhältnis von 70 Masseprozent Salz und 30 Masseprozent Lösung (Feuchtsalz 30 oder FS30). Wir beim ABK setzen dieses Mittel übrigens schon seit über 20 Jahren ein.

Zahlreiche Untersuchungen und Erfahrungen anderer Länder haben gezeigt, dass das Ausbringen von FS100 Vorteile mit sich bringt: In skandinavischen Ländern ist die Nutzung von reinen Lösungen über lange Zeit üblich. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Verbrauch ist geringer und die Wirkung dauert länger an. FS100 ist eine 21prozentige Sole. Vorteil: Beim Ausbringen auf die Verkehrswege wird das Trockensalz mit Sole besprüht, bleibt sofort liegen und wirkt damit auch sofort. Studien haben ergeben, dass der Einsatz der 21prozentigen Sole am effektivsten ist.

Mit dem Einsatz von Sole agieren wir Ressourcenschonend und umweltfreundlich – auch diese Punkte sind natürlich für uns ein wichtiges Thema.

Die bei uns hergestellte Sole wird übrigens auch vom Seehafen Kiel bei uns erworben und eingesetzt.

Reine Sole wird vielfach auch präventiv verwendet. Sobald Eis und Schnee zu erwarten sind, kann man das im Vorwege ausbringen. Wenn dann Schnee auf die Wege fällt, taut dieser.

Dann kann ich als Bürger morgens schon sicher auf allen Straßen und über alle Radwege zur Arbeit gelangen?

Prinzipiell ja, aber nein, so einfach kann man das nicht sagen. Uns erreichen oft Fragen, warum denn die eine oder andere Straße noch nicht gestreut sei. Wir haben gut 650 Kilometer Strecke in Kiel, die wir in der Priorität 2 zu bedienen haben. Das sind in der Regel Nebenstraßen. Diese räumen wir nachdem wir die Verkehrssicherheit auf den Hauptstrecken sichergestellt haben.

Ein großes Problem auch für unsere Räum- und Streufahrzeuge sind immer wieder zugeparkte Straßen und Wege, auf Radwegen abgestellte Fahrzeuge und andere Hindernisse erschweren die Arbeit. Deshalb appellieren wir immer wieder an die Kieler*innen: Bitte haltet Zuwegungen und Einfahrten zu Straßen frei, parkt nicht unerlaubt auf Bürgersteigen und Radwegen.

Winterdienst dient der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht, wie es im Gesetz heißt. Deshalb müssen auch Bürger*innen in die Pflicht genommen werden. Welche Regeln gelten hier?

So ist es. Vorweg: Die Verkehrssicherungspflicht ist eine deliktrechtliche Verhaltenspflicht und das bedeutet wiederum, sie dient der Abwehr von Gefahren. Eine Unterlassung kann zu Schadensersatzansprüchen führen. In der Praxis bedeutet dies: Streut beispielsweise ein*e Anwohner*in bei Glätte nicht seinen*ihren Gehweg und jemand verletzt sich hier, ist er*sie haftbar zu machen.

Winterdienst bedeutet für Kieler*innen, es gibt eine Streu- und Schneeräumpflicht auf Gehwegen. In der Straßenreinigungssatzung des ABK ist genau nachzulesen, in welchem Umfang und was dazu gehört. In der Frontlänge der anliegenden Grundstücke sind die Gehwege in der Woche bis 8 Uhr und am Wochenende bis 9 Uhr zu streuen oder von Schnee zu befreien. Zwischen 8 und 20 Uhr in der Woche sowie 9 und 20 Uhr am Wochenende muss so oft wie erforderlich Glatteis unverzüglich beseitigt werden. Frischer Schneefall muss innerhalb einer Stunde in diesem Zeitrahmen entfernt werden.

Und wenn ich im Urlaub bin, wer macht das dann?

Grundsätzlich sind die Eigentümer*innen dafür verantwortlich. Fahren Sie im Winter in den Urlaub, gehen Sie auf Nummer sicher und übertragen Sie das Streuen und Schneeräumen an eine andere Person – im günstigsten Fall Ihren Nachbarn.

Wie gelingt den Kieler*innen ein „guter Winterdienst“ ?

Vorbereitung ist alles. Wer mit Schneeschieber, Schneeschaufel, Besen und Streugut vorsorgt, der wird nicht das Nachsehen haben. Bei starkem Schneefall ist der Griff zum Schneeschieber sinnvoll, um Gehwege gut passierbar zu machen. Glatteis rücken Sie mit abstumpfenden Streugut zu Leibe. Dafür kommen Splitt, Granulat oder Sand infrage. Schlacke und Asche nicht. Das Streuen mit Salz auf dem Bürgersteig ist in der Regel nicht erlaubt – eine Ausnahme ist Blitzeis.

Grundsätzlich können wir nur an die Bürger*innen appellieren, dass sie in ihrem eigenen Interesse ihrer Pflicht nachkommen. Für die Straßen und Wege gilt wie jedes Jahr: Bitte die Fahrweise anpassen.

Vielen Dank! Ihr Jens Krause

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